Hoch hinauf

Als ich die Schule im Internat während der Pubertät arg vernachlässigte und wegen eines unerlaubten Ausflugs in die sündige Grossstadt beinahe „geschasst“ worden wäre, schenkte mir mein besorgter Vater ein spannendes Bergbuch. Im Begleitbrief schrieb er, das Buch möge mir zeigen, was man mit Willenskraft, Ausdauer und Disziplin erreichen könne. Das Buch gefiel mir ungemein – und ich wurde passionierter Bergsteiger. In der Schule ging es dann auch wieder etwas aufwärts. Aber die Leistungssteigerung im Klettern war eindrücklicher. Mein Vater las jeweils im Kletterführer die Routenbeschreibungen und Schwierigkeitsgrade kommentarlos nach. Einmal erfuhr ich von meinem Onkel, mein Vater habe ihm soeben geschrieben, dass ich von einer „sehr schwierigen“ Besteigung heil zurückgekommen sei. Immerhin, auf meine alpinistischen Fortschritte war er offenbar insgeheim ein bisschen stolz. Mit 73 Jahren vertraute er sich zu seiner erstmaligen Besteigung des Altmanns meiner Führung an. Als ich später die erste gute Examensnote in Rechtsphilosophie von der Uni telefonisch meldete, sagte er, das freue ihn schon am meisten. Er meinte wohl im Vergleich zu den Abenteuern am Berg.

  • Sohn: 1935, Politikwissenschafter
  • Vater: 1880, Bankdirektor
  • Jahr der Szene: 1948