Ein sprachloses Nebeneinander

Dass mein Vater immer diese farbigen Hände hatte? Viel zu viele Farbtupfer fanden den Weg auf die beiden grossen Handoberflächen und seine Fingernägel, dazu auch auf seine grossen Schuhe. 9- oder 10-jährig war ich, als ich ihm anbot, seine Fingernägel mit Aceton zu putzen. Ja, ich war auch schon damals eitel, hier für meinen Vater. Mein Dätti sollte sich nicht schämen müssen mit seinen schönen Händen. Das Ritual war eine eindrückliche Zeremonie. Sofort bildeten wir einen länger anhaltenden Verbund. Vater legte seine Hände auf das Lavabo, gereinigt habe ich jeden seiner Finger. Genüsslich nahm er sich Zeit, mir seine Hände anzuvertrauen. Es schien, als liesse er seinen Tag Revue passieren. Ein spürbares Loslassen von Tageshektik, in die Ruhe übergleitend, ein sprachloses Nebeneinander. Ich erlebte meinen Vater nah und entspannt mit einem geschenkten Vertrauen. Später aus solch wegweisenden Erlebnissen zehren zu dürfen, macht dankbar.

  • Tochter: 1944, Kommunikationsfachfrau
  • Vater: 1906, Malermeister
  • Jahr der Szene: 1953/54