Geschichtenarchiv

Meine erste und letzte Motorradtour

Mit neun Jahren bekam ich von meinem Vater ein Mini-Motorrad. Tage später durfte ich meine erste Tour mit meinen Vater machen, der eine „Harley Davidson“ besass. Wir fuhren 20 Kilometer den Berg hoch bis zu einer wunderschönen Aussichtsplattform. Auf der Rückfahrt fuhr ich in ein Schlagloch, kam zu Sturz und brach mir den Arm. Das war meine erste und letzte Motorradtour. Das Minimotorrad sah ich nie wieder.

  • Sohn: 1996, Eisverkäufer
  • Vater: 1965, 3 Kinder
  • Jahr der Szene: 1974

Unterm Schutzmantel

Kurz vor dem Wildkirchli zieht überraschend ein Gewitter auf. Unter der Geisshaar-Pellerine unseres Vaters suchen ich und meine jüngere Schwester Schutz, bis das Unwetter vorbei ist. Das Gewitter hören, ohne es zu sehen – eine Mischung aus Angst und Geborgenheit. Nach einer Stunde lichtet sich der Himmel, wir ziehen weiter. Ein unvergessliches Erlebnis.

  • Sohn: 1943, Lebensgestalter
  • Vater: 1916, Strumpfwirker
  • Jahr der Szene: 1950

Tattoo

Seit einigen Jahren bin ich selbständiger Tätowierer. Tattoos haben mich schon immer begeistert. Zu meinem Vater habe ich oft gesagt, dass ich ihm ein Tattoo stechen würde. Aber er lehnte immer ab. Eines Tages kam er zu mir und sagte, nun sei er bereit. Er zeigte mir auf seinem Arm zwei Muttermale. Ich solle ihm ein „Muttermal“ tätowieren, damit niemand mehr unterscheiden könne, welches echt und welches gestochen sei. Nun bin ich gespannt, ob er noch weitere Tattoos habe möchte.

  • Sohn: 1996, Tätowierer
  • Vater: 1961, 3 Kinder
  • Jahr der Szene: 2019

Vater wäscht ab

Mein Vater liebt Spass, auch unkonventionellen. Heute gibt es nach dem Zmittag ein Dessert. Für uns Kinder eine zweischneidige Sache: Wir lieben zwar Dessert, aber dafür gibt es mehr abzuwaschen… Da nimmt mein Vater seinen Teller, schleckt ihn aus und legt ihn umgekehrt auf den Tisch: „So, der ist schon abgewaschen!“. Dieses Wohlwollen uns Kindern gegenüber hat mich geprägt. Dies trotz des frühen, krankheitsbedingten Todes meines Vaters, als ich etwa 12 Jahre alt war.

  • Tochter: 1947, Kindergärtnerin
  • Vater: 1913, Arzt
  • Jahr der Szene: 1955

Warum der Wind bläst

Kinder haben die wunderbare Gabe, überraschende Fragen zu stellen. Was mich vor ein paar Jahren dazu veranlasste, die Fragen meiner Kinder zu sammeln: Wie heissen Pferde zum Nachnamen? Haben Vögel Augenbrauen? Was ist das Gegenteil eines Blumenstrausses? Ist heute schon morgen? Und warum bläst der Wind? Eine poetische Antwort auf letztere Frage fanden wir in einem Kinderbuch: um deine Sorgen wegzupusten – eine unschlagbare Antwort.

  • Vater: 1965, Fragensammler
  • Töchter: 2007, 2009; Fragenstellerinnen
  • Jahre der Szene: 2015-2019

Ein Loch im Garten

Unser jüngstes Kind war schon immer begeistert vom Buddeln. Schon als Kleinkind hat er vor seinem Teller beim Essen einen Bagger nachgeahmt. Und irgendwann fragte er, ob er auf dem – wohlgemerkt sehr kleinen – Wiesenstück vor dem Haus ein Loch graben dürfe. Als Vater wollte ich schon den Kopf schütteln, doch Gott sei Dank schluckte ich damals zweimal leer und erlaubte es dann. Das Loch wurde recht ansehnlich und ist seit Jahren wichtiger Bestandteil des Spielens ums Haus. Auch für die beiden grösseren Schwestern und für die Nachbarskinder. Einmal wird nach einem Schatz gegraben, ein andermal eine Falle gebaut. Einmal wird es zugebuddelt, um später wieder ausgehoben zu werden, mal mit Wasser gefüllt, mal mit Blättern. Und hoffentlich gräbt auch Papi mit. Schöner macht der permanente Bauplatz das Plätzchen nicht. Aber klasse gibt es dieses Loch!

  • Sohn: 2013, Kindergärtler, Allrounder und Hobby-Graber
  • Vater: 1975, Soziologe und Hausmann
  • Jahr der Szene: 2015 – 2019