Grundidee
„Vätergeschichten“ besteht aus Fingerabdrücken von Vater-Kind-Beziehungen. (Corinne Bromundt, Illustratorin)
Im Auftrag von FamOS (Familien Ost-Schweiz) und männer.ch entwickelte Mark Riklin, Begründer der „Meldestelle für Glücksmomente“, anlässlich des 6. Vätertags 2012 das Projekt “Vätergeschichten“: Männer, Frauen und Kinder erzählten in öffentlichen Schreibstuben und ausgewählten Unternehmen von ihren Erinnerungen an ihre Väter, Grossväter oder an ihr Vatersein. Bis zum Vätertag 2013 ist ein Archiv aus 200 Szenen entstanden. “Vätergeschichten“ ist auf mehrere Jahre angelegt und verfolgt den Ansatz Väterlichkeit sowohl in der Öffentlichkeit als auch in Betrieben an kleinen Geschichten zu veranschaulichen. Dadurch soll ein Gegenpol zur problemorientierten Darstellung von Väterlichkeit entstehen. Biografische Erinnerungen korrigieren stereotype Bilder, zeigen die Vielfalt von Väterlichkeit und regen an, sich Zeit fürs Vatersein zu nehmen.
Aus dem Geschichtenarchiv
Damals in Süditalien
Mit meinen drei Kindern im Vorschulalter fahre ich in Süditalien bei einer alten Ruine vor. Ich liebe diese schlecht renovierten Bauruinen. In der Schweiz arbeite ich in einer Getränkefirma. Wegen der grossen Nachfrage im Winter kann ich dann viel Überzeit arbeiten. Im Sommer machen wir jeweils 3 bis 5 Monate Ferien in Süditalien. Meine Frau besucht ihre Verwandten, und ich mache mit meinen Kindern Ausflüge. Heute ist es besonders schön. Nie vergesse ich das Leuchten in den Augen der Kinder, als wir mit der Taschenlampe gerüstet in die alte Burgruine vorstossen.
- Vater: 1963, Angestellter in Getränkefirma
- Kinder:
- Jahr der Szene: ca. 1990
Aorta-Riss
Der Anruf erreichte mich auf dem Weg zur Badi. Vater liege auf der Notfallstation. Als wir bei ihm ankamen, war die Operation bereits im Gang. Der Assistenzarzt machte uns wenig Hoffnung. Vater hatte einen Aortariss nahe beim Herz. Falls er überhaupt überleben würde, wären Folgeschäden wahrscheinlich. Die Operation dauerte neun Stunden. Ich war erstmals mit der Vorstellung konfrontiert, meinen Vater zu verlieren – mitten aus der noch ungeklärten und unfertigen Beziehung, in der wir damals standen. Vater erholte sich fast vollständig. Wenn wir uns heute sehen, umarmen wir uns.
- Sohn: Ein 36-jähriger Schweizer
- Jahr der Szene: 2007
Unter den Linden
Gestern haben wir unseren Vater beerdigt. Es war sein Wunsch, im engsten Familienkreis auf dem Land unter seiner Linde begraben zu werden. Es war die schönste und persönlichste Beerdigung, die ich je erlebt habe. Mein Bruder und ich haben am Feuer ein Resümée seines Lebens gezeichnet, S. hat sein Gebet gesprochen, P. seine Asche in einen von Rosen geschmückten Zugang zu den Wurzeln der Linde gestreut. H. hat alles liebevoll vorbereitet und gestaltet. Meine Mutter war tief bewegt und glücklich, weil sie immer das Gefühl hatte, Otto sei auch da und lächle dankbar.
- Sohn: 1955, Biologe
- Vater: 1920, Generalkonsul
- Jahr der Szene: 2013
Aktuelles
Schach, das Spiel welches ich immer gewann
Ich habe viele schöne Erinnerungen an gemeinsame Momente mit meinem Vater. Die wertvollste davon ist unser Schachspiel.
Als wir in Kabul lebten, war ich noch ein Kind. Mein Vater kam oft müde von der Arbeit nach Hause, doch ein- bis zweimal pro Woche nahm er sich die Zeit, mit mir Schach zu spielen. Für mich war das ein großes Ereignis: Jedes Mal gewann ich – und zur Belohnung bekam ich ein Stück Schokolade. Ich war stolz, fühlte mich stark und wichtig.
Heute weiß ich, dass mein Vater, ein ausgezeichneter Schachspieler, mich absichtlich gewinnen ließ. Nicht, weil es ihm an Können gefehlt hätte, sondern weil er mein Herz gewinnen wollte. Und das ist ihm gelungen.
Ich bin überzeugt, dass viele Väter auf der Welt in solchen Momenten ähnlich handeln – es geht ihnen darum nicht das Spiel, sondern die Beziehung zu ihrem Kind zu gewinnen.
Das Schachspielen ist mir geblieben. Noch heute spiele ich leidenschaftlich gern mit Freunden, und jedes Mal, wenn ich die Figuren bewege, fühle ich mich meinem Vater nah – ganz gleich, wie weit er entfernt ist.
Ich liebe Schach dafür.
- Vater; 1938, Kaufmann
- Sohn; 2008, Schüler
- Jahr der Geschichte; 2015
Schach, das Spiel welches ich immer gewann
Ich habe viele schöne Erinnerungen an gemeinsame Momente mit meinem Vater. Die wertvollste davon ist unser Schachspiel.
Als wir in Kabul lebten, war ich noch ein Kind. Mein Vater kam oft müde von der Arbeit nach Hause, doch ein- bis zweimal pro Woche nahm er sich die Zeit, mit mir Schach zu spielen. Für mich war das ein großes Ereignis: Jedes Mal gewann ich – und zur Belohnung bekam ich ein Stück Schokolade. Ich war stolz, fühlte mich stark und wichtig.
Heute weiß ich, dass mein Vater, ein ausgezeichneter Schachspieler, mich absichtlich gewinnen ließ. Nicht, weil es ihm an Können gefehlt hätte, sondern weil er mein Herz gewinnen wollte. Und das ist ihm gelungen.
Ich bin überzeugt, dass viele Väter auf der Welt in solchen Momenten ähnlich handeln – es geht ihnen darum nicht das Spiel, sondern die Beziehung zu ihrem Kind zu gewinnen.
Das Schachspielen ist mir geblieben. Noch heute spiele ich leidenschaftlich gern mit Freunden, und jedes Mal, wenn ich die Figuren bewege, fühle ich mich meinem Vater nah – ganz gleich, wie weit er entfernt ist.
Ich liebe Schach dafür.
- Vater; 1938, Kaufmann
- Sohn; 2008, Schüler
- Jahr der Geschichte; 2014
- Aufzeichnung: Marcel Kräutli
Nächste Lesung Vätergeschichten: Freitag 12. September 2025 im Integrationszentrum Wier in Ebnat Kappel
Vor einiger Zeit durfte ich im tisg-Integrationszentum Wier in Ebnat-Kappel bei unbegleiteten, minderjährigen Asylsuchenden berührende Vätergeschichten sammeln.
Diese Geschichten darf ich am 12. September 2025 von 19 bis 20 Uhr, anlässlich einer öffentlichen Lesung mit musikalischer Begleitung, im tisg Integrationszentrum Wier in Ebnat Kappel vortragen.
Sie sind alle zur Lesung und zum anschliessenden Apéro herzlich eingeladen!
Beste Grüsse & alles Liebe
Marcel Kräutli
Vätergeschichten-Lesung im Integrationszentrum Wier
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