Vaters erste Fahrstunde

Mit drei Berufen und fünf Kindern war mein Vater ein vielbeschäftigter Mann. Um die ganze Arbeit als Landwirt zu bewältigen, musste eine Arbeitshilfe her: ein Traktor „Hanomag R12“, eine Art „Ackermoped“ mit gewöhnungsbedürftigem Klang. Da der Führerschein meines Vaters nicht rechtzeitig eintraf, half ein Bekannter aus. Zu zweit fuhren sie aufs Feld, um den Acker zu bearbeiten – Vaters erste Fahrstunde. Wenig später zog Vater mit dem Hanomag Runde um Runde. Nach getaner Arbeit war kein Fahrlehrer mehr zu sehen. „Mit der heutigen Fahrpraxis kann ich auch nach Hause fahren“, sagte sich mein Vater und machte sich auf den Heimweg. Alles ging gut, bis aufs Anhalten vor dem Garagentor, das war noch nicht geübt. Vater fuhr den Hanomag R12 mit der vorderen Anhängerkupplung vor das hölzerne Garagentor – mehrfach vor und zurück. Mit tränenden Augen beobachtete ich die Szene vom Küchenfenster aus. Das Loch im Garagentor ist bis heute eine bleibende Erinnerung an die erste Fahrstunde meines Vaters.

  • Vater: 1903. Schlosser, Landwirt, Brennstoffhändler.
  • Sohn: 1944. Elektrotechniker.
  • Jahr der Szene: 1955