Appenzeller Schädel

Ein etwas einfältiger Gärtnergeselle war dabei, mit einem Flobertgewehr auf Spatzen zu schiessen. Beim Manipulieren ging ein Schuss los und traf meinen Vater aus einer Distanz von wenigen Metern an der Stirn. In einer längeren Operation im Kantonsspital wurden die beiden Teile der Kugel entfernt, die in die Knochen eindrangen, die Weichteile des Hirns aber glücklicherweise nicht erreichten. Zurück blieb zeitlebens eine grosse Vertiefung in der Stirn. Papa rühmte bis ans Lebensende seinen harten Appenzeller Schädel, der ihn (vor dem Tod?) schützte und das Kügelchen in zwei Teile „sprengte“. Die beiden Teile verwahrte er in der Schublade seines Nachttischchens. Später erzählte er gerne, dass er bei der Operation viel mitbekommen und realisiert habe, dass es um Leben und Tod ging. Wenn er durchkomme, versprach er, dürfe der älteste Sohn bei den Kapuzinern in Appenzell studieren. Das war dann ich.

  • Sohn: 1943, Lehrer, Verleger
  • Vater: 1914-1994, Käser, Magaziner, Schweinezucht-Berater
  • Jahr der Szene: 1954