Meine Eltern waren Diplomaten und wurden alle paar Jahre wieder in ein anderes Land versetzt. Für meinen älteren Bruder und mich bedeutete dies jeweils Abschied nehmen. Von Freunden, der sicheren Umgebung und der Sprache. Es blieb nur die Wurzel zum Bruder und den Eltern, die restlichen wurden ausgerissen und mussten im neuen Land wieder Boden finden.
Im Jahr 1968, als ich 13 Jahre alt war und meine Eltern erneut von Bern nach Kopenhagen versetzt wurden, entschlossen sich meine Eltern uns in der Schweiz zu lassen, damit wir uns endgültig im Heimatland verankern konnten. Mein Bruder hatte eine Stelle als Kaufmann angetreten und ich kam nach Kefikon in ein ländliches Internat, welches früher Landerziehungsheim heiss, dann aber den Namen änderte – aber nur den Namen.
Nach einem Besuchstag wurde mir bewusst, dass harte Zeiten auf mich zukamen. Am Tag, an dem mich meine Eltern im Institut „abgaben“, spürten wir den Schmerz des anderen und deshalb versuchten wir uns nichts anzumerken. Damals gab es noch keine Computer, geschweige denn Mobiltelefone. Der Kontakt zu den Eltern war nur mittels Briefpost erlaubt – ein Adieu war ein Adieu.
Beim Abschied sagte mir mein Vater: „Stöff, jetzt bist du für dein Leben selber verantwortlich. Wenn du bei einer Entscheidung unsicher bist, kannst du dich ja fragen, was ich dazu sagen würde. Was du dann machst, ist dann aber deine Sache.“
Als mit der Zeit das Heimweh nachgelassen hatte, wurde mir bewusst, dass diese Worte ein wunderbares, lebenslanges Geschenk waren. Ich habe es oft genutzt, selbst heute, auch nach dem Tod meines Vaters.
- Sohn: 1955, Biologe
- Vater: 1920, Generalkonsul
- Jahr der Szene: 1968