Avantgardistische Krippe

Das Wichtigste an Weihnachten war für mich immer das Herstellen der Weihnachtskrippe. So erinnere ich mich gut daran, wie wir beim Mittagessen eines 24. Dezembers entschieden, für einmal eine etwas ausgefallenere Variante zu kreieren: moderne Kerzenständer sollten es sein, als Ergänzung zu den bereits bestehenden selbst modellierten Tonfiguren. Mein Vater packte mich und meine beiden jüngeren Brüder ins Auto und fuhr uns in seine Werkstatt. In blauer Arbeitskleidung wühlten wir in einer riesigen Kiste mit Metallabfällen, Lochblech und Rohren, wählten einzelne Stücke aus, die mein Vater nach unseren Vorstellungen zusammenschweisste. Innert Kürze entstanden wildeste Gebilde. Es machte mir grossen Eindruck, meinen Vater als Vollprofi zu erleben, der unsere Kinderfantasien mit links Wirklichkeit werden liess. Die ganze Fuhr wurde nach zwei oder drei Stunden ins Auto geladen und nach Hause gefahren – in freudiger Erwartung, wie wohl die Grossmutter auf die avantgardistische Krippe reagieren würde.

  • Tochter: 1973, Sekundarlehrerin
  • Vater: 1943, Metallbau-Ingenieur
  • Jahr der Szene: 1988